Früher, noch bevor ich Kinder hatte, war mir gar nicht so richtig klar, wie sehr es im Leben auf den richtigen Zeitpunkt ankommt. Wahrscheinlich muss man für diese Erkenntnis gar nicht erst Mutter werden, aber nach all den Jahren, in denen ich nun schon kleine Wesen in ihrem Wachsen und Werden begleite, ist es mir mittlerweile einfach in Fleisch und Blut übergegangen: Es kommt nicht nur darauf an, was man tut, sondern mindestens so sehr auch mit wem und vor allem wann. Es gibt gutes und schlechtes Timing, und gerade in der Entwicklung eines Menschenkindes gibt es phasenweise intensivste Interessenthemen, die aber nur für eine manchmal gar nicht so lange Weile bestehen bleiben, ein bisschen wie eine Blume, die nur für einige Zeit blüht oder Samen trägt- und wenn man sie nicht rechtzeitig bemerkt und erntet, ist ihre Zeit, ihre Chance vertan.
Ich denke, meistens ist das kein grosses Drama. Aber schade ist es schon. Mein grosses Mädchen zum Beispiel war mit vier ein leidenschaftliches Puppenmütterchen. Sie schleppte Schmusetier um Schmusetier mit sich herum, bewirtete es mit ihrem kleinen Teddygeschirr am alten Kinderzimmertischchen und konnte sich nicht trennen von den -in meinen Augen- schrecklichen Babyborn Plastikbabies, die sie einmal im Estrichfundus meines Elternhauses entdeckt hatte. Ich hatte lange nach einer Waldorfpuppe für sie gesucht, lange gefahndet und mir alle Mühe gegeben, das perfekte Puppenkind für sie zu finden. Die Wahl fiel mir unendlich schwer. Schliesslich durfte sie ihr ganz eigenes Puppenmädchen sogar selbst zusammenstellen, vom Hautton bis zur Augen- und Haarfarbe. Die lange Wartezeit nahm ich in Kauf, keine Frage, ich dachte mir, je stärker mein Kind sich einbringen kann in den Auswahlprozess, desto inniger wird wohl ihre Beziehung zur Puppe werden…
Schliesslich war die Puppe da, ein wunderwunderhübsches Puppenkindchen, das sofort alle Herzen im Sturm eroberte. Mein Mädchen war glücklich -aber bald, ganz unerwartet bald schon… dem Puppenspielalter entwachsen.
Nur wenige Monate (Wochen?) später blieb die so lang ersehnte und zusammengesparte Traumpuppe im Regal sitzen, Tag für Tag, Woche für Woche- und das bis heute.
Wir waren einfach zu spät.
Ich hätte rascher reagieren und weniger zaudern und abwägen sollen, als ich die Puppenmutti in meiner Tochter erwachen sah… Manchmal wachsen die Kinder einfach einen Zacken zu schnell, nicht wahr?
Genauso lief es mit dem Thema Kinderküche. Schon vor Jahren hatte ich vor, den Kindern einen Spielkochherd zu kaufen. Doch irgendwie lief ich nie dem richtigen über den Weg, sie waren mir alle zu unschön, zu klobig, zu dominant oder auch schlichtweg zu teuer. All meine hochstehenden Selberbau-Vorhaben verliefen ebenfalls im Sand, teils aus Zeitmangel, teils, weil ich einfach doch nicht soooo gerne mit Holz und Farbe hantiere, wenn ich wirklich ehrlich zu mir bin. Und sobald ich mir vornahm, mich endlich eingehender mit dem Thema zu beschäftigen, war das Kind bereits wieder in neue Interessengebiete entwischt, begann zu lesen oder sammelte leidenschaftlichst Pokemonkarten- und das war’s dann auch schon.
Schade eigentlich.
Jetzt, beim fünften Kind aber, scheine ich meine Lektion gelernt zu haben.
Kurz vor ihrem 2. Geburtstag, kaum hatte ich eine gewisse Hartnäckigkeit im Bekochen von Puppenkindern und Plüschtiervolk bei meiner Kleinsten entdeckt, sah ich im Secondhandshop einen äusserst einfachen, kleinen Kochherd aus Holz, eigentlich nicht viel mehr als eine Herdplatte mit Drehknöpfchen und einem kleinen Rückenregal, das man zusammenklappen kann, wenn man das Ganze irgendwo verstauen will. Zwar keine eigentliche Schönheit, aber simpel und nett und superpraktisch und mit einer klaren Aussage: Hier ist Platz fürs Brutzeln und Kochen, ein guter Ort zum Zusammenpantschen von Filzbällchensuppen und Bauklötzchenburgern.
Als meine Kleinste ihre Miniatur- Kinderküche dann einweihte, stand sie sie bei weitem nicht allein am Herd: Drei ihrer Geschwister klapperten eifrig mit ihr in den kleinen, roten Emailletöpfchen, die ich beim Claro-Weltladen entdeckt hatte, schmissen Holzobst in die Pfanne und gossen imaginäres Wasser in die kleinen, bereits ziemlich mitgenommenen Holztassen auf dem rasch gedeckten Puppentisch.
Seither vergeht kein Tag ohne ein lautes: „Ässä!“, das mich an eine liebevoll mit Platzdeckchen, Geschirr und Besteck hergerichtete Puppentafel ruft, wo ich filzige Eintöpfe löffle und an der halben Spielzitrone in meinem Becher erkenne, dass es Zitronensirup gibt heute…
Ich denke, diesmal war das Timing gar nicht mal so schlecht.
Warum ich euch all das erzähle? Eigentlich nur deshalb: Seht ihr den grossen Filzkorb auf den Fotos? Den hab‘ ich gemacht, nach dieser Anleitung und aus lauter Wollresten und einzig aus dem Grund, dass ich gerade Lust hatte, ein paar meiner Vorräte zu verstricken. Ausserdem ist so ein Korb recht praktisch, wenn man, so wie wir, ein stark vereinfachtes, dafür aber ständig zu- und wieder abnehmendes Sortiment an oftmals eher improvisierten Puppenkoch-Zutaten in der Puppenküche stehen hat, die alle einen klaren Ort brauchen, wo sie so rasch und unkompliziert wie möglich darin verschwinden können.
Alles in allem eine wahre Freude, das alles. Vom gestrickfilzten Korb (den ich zwar farblich alles andere als hübsch finde, aber trotzdem mag irgendwie) über die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt bis hin zu meinem seelig spielenden kleinen Puppenmütterchen.