Meine Kleine war lange Zeit ein praktisch stummes Kind. Fast 2 Jahre lang.
Dann kamen die Worte. Erst langsam, tröpfchenweise, dann ein wenig mehr. Sie dosiert ihre Wortbeiträge immer sehr vorsichtig. Auch heute noch, mit gerade 4 Jahren.
Zuerst sortiert sie ihre Gedanken, sichtbar manchmal, buchstäblich sichtbar. Ihre Kommentare kommen -oft erst nach einer kleinen Pause- knapp und präzise und die poinitierten Bemerkungen und die kleinen, feinsinnigen, häufig etwas ironischen Scherze, die sie manchmal in ein Gespräch einwirft, im richtigen Moment, an der richtigen Stelle, mit nur angedeutetem, rundum vergnügten Spitzbuben-Lächeln im Gesicht, bringen mich jedes Mal zum Lachen. Sie ist keine grosse Rednerin, meine Kleine. Zuhause schon eher, aber ausswärts? Zurückhaltend und abwartend. Das war sie von Anfang an.
Schleicht man sich aber heimlich zu ihr, wenn sie sich mit ihren Puppen und Schmusetieren zurückgezogen hat zum Spielen (alleine meistens. Sie spielt so gerne ganz für sich allein), dann lernt man ein ganz anderes Kind kennen; dann redet sie, plappert praktisch ohne Punkt und Komma, erspinnt sich eine ganz eigene Spielweltgeschichte und leiht dafür jedem ihrer stoffigen Spielgefährten ihre Stimme.
Aus der tröpfelnden Quelle wird ein weicher, entspannter (Rede-)Strom.
Einmal hat sie mir ein Märchen erfunden. Ein Wildtier-Märchen mit leicht blutiger Zwischennote (so wie die meisten prägenden Grimms-Märchen, die sie bisher kennt) aber einem schlussendlich happigen Happy End, frei erfunden und erzählt beim Betrachten eines ihrer Wasserfarbenbilder…
Weil es mich so freut (trotz der etwas morbiden Stelle), teile ich es hier mit euch:
„Das ist eine Fuchshöhle. Darin wohnen ein Fuchspapa, die Mutter und die Kinder.
Ein Mann bringt Heu, Gras und Zutrinken. Da kommt der Wolf und isst den Papa auf. Und dann geht es weiter; ein Igel kommt und drückt so fest mit seinen Stacheln auf dem Wolf sein Bauch, dass er grad‘ tot ist. Und der Papafuchs kann wieder raus. (Rotkäppchen lässt grüssen!)
Jetzt kann der Mann die Türe (???) auftun ohne, dass der Wolf in die Höhle geht (weil er ja tot ist). Er macht ein schönes Feuerchen und brätlet Würste für die Füchse und die Kleinen.
Ende.“
Ich mag es, wenn Kinder Geschichten erzählen. Ich mag es, wenn sie zeichnen und malen und davontreiben in einem fantastischen Gedankenkarussell.
Die Kombination von beidem, von Kinder-Märchen und Kinder-Gemaltem wiederum hat so was Rundes und Fertiges und Lustvolles, vollkommen auf eine ganz eigene, frische Art und Weise.
Manchmal wünschte ich, ich könnte mir mehr Zeit nehmen für solche Augenblicke, mehr Malen, mehr Zeichnen und Erspinnen und Erzählen, mit meinen Kindern, für meine Kinder. Viel zu oft sind meine Arme besetzt (Stichwort „kletterndes, alles ausräumendes, kaum im Zaum zu haltendes Kleinkind“), viel zu oft bin ich zu ausgelaugt, viel zu oft scheint alles zu eng, zu wild, zu voll dafür.
Dabei wären sie so kostbar, jene Augenblicke… Kinder-Märchen-Geburtsstätten.