
Die lange, zermürbende Zeit der Krankheiten und schwachen Tage, die hinter uns liegt, war hart (mit ein Grund, warum ich meine „Dankbarkeits-Reihe“ im nächsten Post nochmals aufnehmen und bis zu Nummer 7 weiterführen werde). Und ich -sowieso schon schrecklich wehleidig und mimosenhaft- buchstäblich am Rande meiner Kräfte. Doch selbst in all dem Elend, das zeitweise einfach kein Ende mehr zu nehmen schien, lag Segen. Gebets-Erhörungen sogar. Meine Kleine, ein Mamakind ohnegleichen und so anschmiegsam und nähe-bedürftig wie ich es bisher noch nie erlebt habe, glitt durch eine für mich vollkommen unfassbare, reibungslose und völlig tränenlose Phase der Entwöhnung. Und das ganz ohne Druck oder Zwang, einfach so, aus sich heraus, „unterstützt“ vom Fieber und vom Schnupfen, der sie für die entscheidenden Nächte in einen verzweifelten Schlaf fallen liess, zufrieden mit meinem Arm und ab und zu ein wenig Wasser aus der Flasche.
Ich bin Langzeit-Stillerin aus Passion und Überzeugung, aber irgendwann wird es selbst für mich Zeit, meinen Körper wieder freier zu machen, nicht für mich eigentlich … obwohl, das auch… vor allem aber für das Baby, das bald kommen wird. Zwei Jahre und 8 Monate sind eine lange Zeit. Eine gute, wertvolle, unbezahlbare Zeit der Nähe, eine Zeit aber, die ihr Ende hat, genau so wie bei meinen drei Kindern zuvor. Bisher war es immer so, dass die Kinder sich etwa ein Vierteljahr, vielleicht zwei Monate vor der Geburt ihres jüngeren Geschwisterchens von der Mutterbrust lösen mussten. Zwangsläufig und immer verbunden mit einer schrecklichen Zeit voller Tränen und einer sonderbaren Art von Trennungs-Schmerz für beide, für mich und das Kind, solange bis wir beide „Nähe“ neu definiert hatten, so dass es wieder stimmig war für uns beide und für die neue Situation, auf die wir uns zubewegten.
Dass das alles diesmal so völlig anders, so schmerzlos und leicht vor sich ging… grenzt für mich an ein Wunder. Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber Wunder haben das so an sich, nicht wahr? Sie lassen sich nur ungern berechnen…

Eine ganz andere und sehr viel banalere Art von Segen, die mir immer wieder ein Trost war, waren die Phasen, in denen ich einfach irgendwo auf einem der Kinderbetten sass, mit meiner verschnupften Bande Hörspiele hörte und dazu die Nadeln klappern liess. Stricken in einer Zeit, wo mir die Hände gebunden schienen, tat manchmal richtig wohl. Und das Tragen von Schals oder dicken Socken, von Dingen, die ich mit viel Zeit und Liebe für uns gemacht hatte, tat seinen Teil dazu, mir Mut zu machen, mir vor Augen zu führen, dass es zwar kleine Schritte sind, die ich tue -ich und meine Hände im Handarbeiten, ich und mein Körper in der Genesung- dass genau diese Schrittchen aber ihre Wirkung haben, weil sie zwar klein sind und langsam, aber zielgerichtet und tapfer und unablässig. Nicht alle Dinge lassen sich erzwingen oder beschleunigen, nicht alles fällt einem in den Schoss. Manches braucht einfach seine Zeit und eine ganze Menge Geduld und Kraft und Zuversicht. Beim Stricken wie im Leben.

An diesem beeren-farbenen Drei-Ecks-Schal aus einem Schweizer Seiden-Leinen-Garn (Siide-Buschper in der Farbe „Suurhamsle“ vom „Siidegarte“) habe ich lange, lange gestrickt. Von der ersten Mini-Reihe ganz zu Beginn bis zu den letzten Maschen einer nicht mehr enden wollenden, wirklich ellenlangen Abschluss-Kante verging viel Zeit. Aber ich glaube, ich habe sie genossen, Masche für Masche. Weil die Arbeit immer spannend blieb mit all den Abwechslungen und Variations-Möglichkeiten im Muster, weil ich dabei alle Freiheiten hatte, die ich mir nur wünschen konnte, mit lauter Bauch-Entscheidungen wie die nächste Reihe aussehen oder wie lange mein Schal überhaupt werden sollte – und weil ich mich so schrecklich freute auf mein fertiges Tuch, auf den allerersten Dreiecks-Schal meines Lebens.
Ich liebe Tücher.
Ich liebe handgefärbte, sorgsam hergestellte Garne mit einem Hauch von Eleganz und Luxus.
Ich liebe diesen Kontrast zu meinem sonst so unspektakulären, einfachen Leben.

Ich liebe es, in Wünschen und Träumen zu baden und sie dann -wenigstens im Klitzekleinen- auch einmal wahr werden zu lassen. Schrittchenweise. Manchmal über Wochen und Monate.
Auch wenn es bloss ein gestricktes Tuch ist, um meinen Hals geschlungen, ein bisschen warm, ein bisschen kühl, nicht gross, nicht klein, sondern gerade richtig für Tage wie diese, wo der Winter sich verabschiedet und der Frühling mir entgegen lacht mit Sonne und den ersten Spitzen meiner Osterglocken in der sattbraunen Erde.