… tragen Landfrauen wallende Röcke und kleine Landmädchen süsse, lufige Kleidchen. Und Kopftücher. Alle. Lange Zöpfe blitzen darunter hervor, dick und satt geflochten, oder es sind Lausemädchen-Kringel-Löckchen, die sich nicht bändigen lassen wollen und im Sonnenlicht schimmern wie Gold-Dukaten.
Ich stelle mir vor, wie auf dem Feld das Heu gerecht wird, mit Rocksäumen bis zum Knöchel oder barfuss unter den kürzeren Mädchenkitteln. Schafe blöken beim Heimkommen abends auf der Weide, sie betteln um Möhren oder ein paar Streicheleinheiten. Wäsche tropft von langen Leinen im Garten. Wenn es windet flattern Hemden und Bett-Tücher, als wären sie lebendig geworden und die Rocksäume schnellen entsetzt hoch, sobald sich eine freche Böe zu ihnen verirrt. Erbsen werden ausgepuhlt, Bohnen beim Klatschen und Tratschen entfädelt, vom Hollerstrauch kommen dicke Blütendolden ins Zuckerwasser, für Flaschen, voll mit hellgelbem Holundersirup bis zum Rand. Und wenn Obst eingekocht wird, dann kräuseln sich die Löckchen unter’m Tuch und der dicke Zopf wiegt schwer zwischen den Schulterblättern.
Niemals schmeckt der Tee besser als in der einbrechenden Abend-Dämmerung, wenn die Grillen zirpen, die Kinder unter ihre Decken kriechen, der Wind im Holunder spielt und nach getaner Arbeit alles von Frieden spricht, mit einer heissen Tasse süssem Tee in den Händen, auf der Bank vor dem Haus, das Kopftuch gelöst und mit offenem Haar…
Natürlich ist das alles lächerlich romantisch und absolut weltfremd und unrealistisch. Aber schön. Sehr schön. Und beim Träumen gelten andere Regeln. Meine Regeln gegen jede Vernunft.
In Tat und Wahrheit ist es ganz anders, das Landleben, ich weiss. Auch mein Leben, so wie es aussieht heute. Das Bauernhaus fehlt mitsamt seinem Bänkchen, hier gibt es weder blökende Schafe noch Heu-Ernten für mich, dafür rauschender Verkehr rund um die Uhr, und obwohl der Holunder gerade herrlich blüht und himmelweit duftet wie der junge Frühling, obwohl die Hemden draussen an der Leine winken und ich zum Sirupkochen und Obst-Einmachen nicht auf die Erfüllung meines Traumes zu warten bräuchte, spüre ich, dass es einfach nicht dasselbe wäre. Noch ist es nicht soweit.
Aber, ich weiss; Da ist ein Gärtchen und da sind Blumen. Ein dicker Zopf in meinem Rücken. Ein Lausemädchen mit Kringel-Löckchen, barfuss unterm Bullerbü-Kleidchen. Und da ist ein Kopftuch, frisch genäht für mein Landkind, aus einem Rest Sternchen-Stoff („Tilda Star Grey Brown“), nach einer Anleitung aus „Carefree Clothes for Little Girls“ (wie schon die Meerjungfrauen-Tunika und das ärmellose Rüschnenkleidchen).
Für einen Hauch von Landleben und Bullerbü-Romantik im alltäglichsten Alltag.
Genau wie in meinen allerbesten Träumen.