Ich bin ein Mensch, der sich vollkommen verströmt. Jemand, der alles, wirklich alles gibt für seine Familie, alles bis zum allerletzten Tropfen „Ich“. Und irgendwann ist es dann zu viel, oder zu wenig vielmehr, zu wenig, das übrigbleibt für mich selber. Ich falle aus mir selbst heraus, wie ein Bild aus seinem Rahmen. Ich werde dünn, sehe müde aus, verbraucht, meine Nerven liegen blank und mir ist, als würde sich mein Leben vor mir auftürmen wie bedrohliches Gestrüpp, woraus es kein Entrinnen gibt, bloss kämpferisches Durchkommen, Durchkraxeln, Durchbeissen. Dass ich den Punkt verpasst habe, wo Geben das gesunde Mass überschreitet, merke ich meistens erst zu spät.
Aber gottlob; Ich lerne. Ich lerne mit den Jahren und aus Riesenmengen an Fehlern (alle selbstgemacht), und jetzt mit meinem vierten Kind, merke ich, dass vieles, von dem, was mir früher schwer fiel, mir auf einmal leichter von der Hand geht, mehrheitlich deshalb, weil ich lernen musste, dass ich es niemals, tatsächlich niemals schaffen werde, perfekt zu sein. Termine absagen zum Beispiel fällt mir heute leichter. Zufrieden sein mit einem einfachen, schnörkellosen Lebens-Alltag. Die Kinder einmal so richtig wild durchs Haus toben lassen und innerlich ruhig bleiben dabei. Mein schlechtes Gewissen zum Schweigen bringen, wenn ich am Herd mal wieder versagt habe und einsehen muss, dass aus mir wohl niemals die umsichtige, engagierte, bewusst gesund kochende Mama werden wird, die ich mal werden wollte. Geduldig sein mit einem weinenden Baby, das -und es ist wirklich noch gar nicht lange her- Tag um Tag um Tag um Tag getragen werden will. Nachdrücklich bleiben, wenn mir etwas wichtig ist, selbst wenn ich mir kleinlich vorkomme dabei. Nachsichtig sein, wenn ich merke, dass ich ein Kind genau damit überfordere. Manches wird einfacher für mich. Anderes wird mir wohl niemals leicht fallen. Manches wohl auch gar nie gelingen.

Muttersein ist unglaublicher Weg. Mit der Zeit meint man vielleicht, ihn zu kennen- doch dann nimmt er plötzlich eine scharfe Biegung, und alles ist anders. Mit jedem Kind auf ganz neue, andere Art und Weise, Kind für Kind, Phase für Phase.
Ich hatte nie das Gefühl, eine tolle Mutter zu sein. Aber jetzt, nach bald einmal 12 Jahren (unfassbar, nicht?), habe ich immerhin auch nicht mehr das Gefühl, eine absolut schreckliche Mutter zu sein. Ich sehe mich so: Ich bin einfach.
Ich glaube, etwas vom Wichtigsten für mich ist, offen zu bleiben. Auch offen für meine eigene Fehlerhaftigkeit. Zu lernen. Bereit zu bleiben, die Dinge neu, anders anzugehen und meinen Blickwinkel zu überprüfen, ohne allzu sehr zu vergleichen. Ich möchte nicht vergleichen. Nicht meine Kind mit anderen Kindern, nicht mich mit anderen Müttern. Vergleichen ist nichts Schlechtes an sich, denke ich. Aber es ist heikel. Man kippt zu leicht ins Extrem, macht die eine Seite zu klein, die andere zu gross oder auch umgekehrt, und wird doch meistens niemandem gerecht, denn wahrscheinlich haben alle ihre Stärken aber auch Schwächen und sind -wie alles Leben- eigentlich gar nicht wirklich messbar aneinander.

Wichtig ist für mich aber auch; Mich selber nicht vergessen. Nicht so ganz und gar und so schonungslos, wie mein eigentliches Wesen es aus sich selbst heraus tun will. Sicher, für diese richtigen Ich-Momente, wo ich mir wirklich volle Stunden, Halbtage, Tage oder gar ein Wochen-Ende zugestehen würde, ganz alleine nur für mich und über Hindernisse und meine eigene, strenge innere Stimme hinweg, dafür reicht es nicht. Noch nicht. Aber es reicht für kleine, süsse Liebesdienste. Für Schokolade und Kekse und vom Kind eigens für mich gebackenen Kuchen (Mein Geheimtip: Streicht den Abwasch von Familien-Hausarbeits-Liste, und setzt einfach mal „Schokoladenkuchenbacken für Mama“ dort ein. Zumindest ab und zu. Das tut vielleicht gut!). Es reicht fürs Hörspiele-Hören bis morgens um halb eins oder dafür, abends um halb zehn gleich mit dem jüngsten Kind ins Bett zu fallen und einfach so weg zu dösen, bis am nächsten Morgen dann. Fürs Wolle-Kaufen, wann immer ich mich in ein Knäuel verliebe, reicht es, fürs Stoffe-Shoppen einfach nur so, aus purer Freude. Und fürs Nähen und Stricken. Nicht nur für andere. Auch für mich selbst.

So wie diese pflaumenrote, mollig weiche Strickjacke, die viele, viele Stunden in Anspruch genommen hat und einzig und allein für mich bestimmt ist. Dafür, dass ich es warm habe und kuschelig, und dass ich mich ab und zu ein bisschen hübsch fühlen darf.
Ich glaube, ich mag diese Jacke. Genauso wie Marta sie mochte (Wir haben uns -ganz unabhängig voneinander- sogar in dieselbe Wolle verliebt, in haargenau demselben Farbton!). Ich mag ihre Zartheit und dieses Schlichte, Angepasste, das weich wirkt und ehrlich und dank dem handgefärbten, unregelmässig versponnenen Garn (Drops Loves You # 3, verstrickt mit Nadel Nr. 4) trotzdem irgendwie eigensinnig. Die Kokosknöpfe mit der schönen dunkelbraunen Glasur („Jim Knopf“ vom Strickcafe) passen gut dazu, finde ich. Sie haben dasselbe unauffällig unaufdringlich Exotische an sich.
Das Strickmuster (leider namenlos; Drops 112-26) war wunderbar einfach und -bis auf zwei, drei Aufribbel-Passagen, weil ich zum Teil einfach zu müde war zum Stricken und zu unkonzentriert- eigentlich problemlos. Von den 500gr. Garn, die ich für diese Jacke vorgesehen hatte, blieb kein Fitzelchen mehr übrig, und hätte ich damals in einem meiner Wolle-Rausch-Einkäufe nicht gleichzeitig noch ein paar Strange mehr davon gekauft, für andere Projekte (wie dieses hier zum Beispiel), dann hätte ich irgendein anderes Garn anzapfen müssen, um die einzelnen Strickteile zusammen zu nähen. (Allerdings muss ich zugeben, dass ich die Jacke an sich sicher 3 cm länger gestrickt habe als angegeben. Ansonsten hätten 500gr. tatsächlich ausgereicht.)

Ich denke, jedem von uns tut es gut, sich ab und zu Zeit zu stehlen, nur für uns ganz alleine. Zeit, Effort, Präsenz, nur um sich selber damit ein Geschenk zu machen. In diesem Fall hier wortwörtlich; ein Geschenk -pflaumenrot und mollig und zum Einhüllen-
von mir für mich.
Manchmal muss das einfach sein.