Heute morgen verliess eine kleine Elfe das Haus. Der Morgennebel und die frische Herbstluft verwandeln meine beiden Nesthäkchen in Zwerge und Elfenkinder. Sobald der Herbst soweit fortgeschritte ist, dass der Niesel im Gesicht prickelt, kramen wir Zwergenmützchen und Elfenhut aus der Wollsachenkiste, und mein Mädchen trägt heute sogar Strumpfhosen dazu, einen Wollpullunder, die wattierte Regenjacke und Regenhosen mit Flies für über die Gummistiefel.
Euch jetzt, mit diesem Bild vor Augen, mein bordeaux Sommerleibchen (das zweite) vorzustellen, das fühlt sich etwas… schräg an (vor allem auch, weil ihr es schon mindestens 3 mal gesehen habt bisher; hier zum Beispiel, hier und hier…). Aber die letzten 2 Tage waren warm und sonnig, und ich weiss; sobald die Sonne sich ihren Weg durch den Herbstdunst gebahnt hat, wird auch dieser Tag so sein, ein Frühherbst-Tag in Grün und Gold.


Fast wie vor 5 Wochen. Noch war Sommer, ja, aber das Licht… das Licht war dasselbe. Golden und weich, genau wie heute…
Das Babykind spielte draussen, barfuss in ihrer (fast) neuen „Happy Summer Vest“, die beinahe ein bordeaux Strickkleidchen geworden wäre. Röcke und Kleidchen sind etwas ganz Wunderbares für mich, wirklich, und ich freue mich auf die Zeit, in der meine Kleine in Blümchenkleidern und flatternden Tanz-Jupes um mich herumwirbelt- aber für ein Krabbelkind sind Hosen einfach unschlagbar. Jeder lose Stoffstreifen kommt ohnehin sofort in die Quere, und ich glaube, Kinder in diesem Lebens-Abschnitt brauchen vor allem Platz, Freiheit und Geborgenheit, damit sie sich in ihrem Tempo entwickeln können, mit Sinnen, die sich voll und ganz auf die wirklich wichtigen Dinge in ihrem kleinen, spannenden Leben konzentrieren dürfen, und nicht auf sich verheddernde Rockbündchen.
Mamas Röckchen-Fimmel kann warten.



Und so schwierig ist das auch gar nicht, das Warten. Tunikas mag ich nämlich fast genauso gerne, je flattriger, desto lieber, und wenn die Länge stimmt, dann sind wir beide seelig, ich mit meinem Knubbelmädchen in Bordeaux, und das Babykind im weichen, fliessenden Strick, der warm hält, aber nicht zu warm, und der sitzt ohne einzuengen und die kindliche Entdecker-Lust zu hemmen.
Ich habe lange, sehr lange nachgedacht, ob ich dieses wundervolle Strickmuster für euch übersetzen soll (das Original von Rosa Hoban ist in Englisch verfasst).
Normalerweise bin ich vorsichtig mit solchen Dingen, ich möchte achtsam und verantwortungsvoll umgehen mit dem (Gedanken-)Gut anderer und gebe mir grosse Mühe, mich nicht mit fremden Federn zu schmücken, sondern offen und ehrlich zu bleiben und klar zu zeigen, woher ich die Ideen und Anleitungen für ein Projekt habe. Alles andere kommt mir falsch vor. Undankbar.
Bei Rosa Hobans Happy Summer Vest ist es nicht anders. Ich liebe dieses Leibchen und bin absolut begeistert von seinem einfachen, bezaubernden „Schnitt“… Aber Mrs. Hoban scheint irgendwie … im www. verschollen zu sein: Seit 2009 kein neuer Blog-Eintrag, keine Updates mehr auf Ravelry, keine Reaktionen auf meine E-mails… Es macht mich immer traurig, festgefrorene Momente auf meinem Bildschirm zu sehen, Lebens-Zeichen, ein Blogpost, ein Foto, eine selbstgemachte Strick-Anleitung- und dann nur noch Schweigen zu hören, eine Stille, die es umgibt und von Vergänglichkeit erzählt…
Darum werde ich Rosa Hobans „Happy Summer Vest“ übersetzen. Für euch. Und für sie. Aus Dankbarkeit und Wertschätzung, weil ich mir wünsche, dass dieses kleine, feine Stricktop/Kleidchen noch so viel Freude wie möglich in die Welt hinausträgt.


Happy Summer Vest
von Rosa Hoban
(in einer Art Kirschkernzeit-Variante)
Ich habe Rosa Hobans Leibchen ein bisschen abgewandelt (aber wirklich nur ein bisschen) und auch mit anderem Garn gestrickt als sie. Je nach Garn fällt natürlich auch die Grösse des Leibchens ein bisschen anders aus, selbst wenn man ein Garn mit derselben Lauflänge nimmt, kann das Resultat recht unterschiedlich gross sein: Bei meinem ersten Top habe ich zum Beispiel mit „Muskat“ von Drops gearbeitet, bei der Tunika für mein Babykind hier mit Lang „Sigma“, und obwohl beide dieselbe Garnstärke aufweisen, ist meine erste „Happy Summer Vest“ praktisch eine ganze Grösse weiter geworden als diejenige für das Babykind. Eine Maschenprobe wäre sicherlich nicht übel, schätze ich…
Für die Übersetzung hier bleibe ich möglichst nah an Rosa Hobans Strickangaben, ersetze aber die eine oder andere Angabe und füge persönlichen Notizen beider „Happy Summer Vest“-Versionen überall dort hinzu, wo es mir sinnvoll erscheint.
Diese „Happy Summer Vest“ passt für Kinder im Alter von: 1-2 (3-4/ 5-6) Jahren.
Sie wird bis zur Passe rund gestrickt und dann in zwei Teilen hin und zurück fertig gearbeitet.
Material
Garn: Lauflänge 100m/ 50gr. zB. „Muskat“ von Drops oder „Sigma“ von Lang
Garnverbrauch: 2 (3, 4) mal 50gr. (je nachdem, wie lang man sie haben will, als Tunika oder Kleidchen vielleicht sogar, nimmt man natürlich mehr Garn)
Nadeln: 3.5
Maschenprobe: 22M/ 31R = 10cm/10cm
128M (154M / 176M) anschlagen
Runde 1: alle M re
Runde 2: alle M li
Runde 3: 1M re, *1Umschlag, 2M re zus.str.* (*bis* wiederholen bis zum Rundenende) (Im Original wird das Lochmuster mit *yarnforeward, 2M re zus.str.* gemacht, aber ein Umschlag ist einfach leichter zu machen und ergibt in etwa dasselbe Muster (sagt Providencia. Auch ein anderes Durchbruchmuster sieht bestimmt zauberhaft aus, denke ich und kann so oft wie man mag wiederholt werden. Ich habe bei meiner 2. Version das Lochmuster 2 Mal gestrickt und werde das ganz sicher wieder so machen. Wenn nicht noch ausgiebiger…)
Runde 4: alle M li
Runde 5: alle M re
Nun glatt rechts weiterstricken bis das Teil 22cm (25cm / 27cm) misst. (Wer es gerne länger mag -so wie ich!- der strickt einfach weiter. Ein Kleidchen wäre sicher wunderhübsch!)
Abnahme-Runde: immer 2 M re zus. str. = 64M (76M / 88M)
Nun beginnt das Perlmuster. (Ich persönlich stricke gerne vor der Teilung in Vorder- und Rückseite 2-3 cm weiter Perlmuster in Runden, damit die Passe kompakter bleibt. Aber das ist so nicht vorgesehen im Original und muss auch gar nicht unbedingt sein.)
Passe
Für die Passe wird jeweils 1 Voderseite und 1 Rückseite im Perlmuster in Reihen hin und zurück gestrickt. Dafür trennt man zuerst einmal die Maschen in zwei gleichgrosse Hälften und legt die eine Hälfte still (mit einer Nadelklammer oder einem langen, dicken Restfaden). Dann strickt man auf 2 langen Nadeln im Perlmuster wie folgt:
1M re, 1M li, 1M re, 1M li… bis Ende der Reihe
1M li, 1M re, 1M li, 1M re… bis Ende der Reihe
So weiterstricken bis Vorder- und Rückenseite ca. 8-9cm (ca. 10cm / ca. 12 cm) messen.
Mit einer Linken Seite enden.
Träger und Ausschnitt:
Rückenseite:
8-10 M (je nach Vorliebe auch mehr oder weniger Maschen) im Perlmuster stricken, dann alle Maschen re abketten bis nur noch 8-10 M (inkl. der Masche auf der linken Nadel) übrigbleiben. Das sind die Träger-Ansätze, die später mit den Trägern der Vorderseite zusammengenäht werden. Diese Maschen stilllegen.
Vorderseite:
8-10M (je nach Rückenseiten-Träger) im Perlmuster stricken, dann alle Maschen re abketten bis nur noch 8-10 M (inkl. der Masche auf der linken Nadel) übrigbleiben. Das sind nun die Träger.
Diese Träger jeweils ca. 9-10 cm (ca. 8cm / ca. 10 cm*) im Perlmuster stricken
(* Hier habe ich noch keine erpropten Masse, muss ich zugeben. Probiert das Top am besten an und entscheidet spontan!)
Träger zusammennähen:
Die Träger der Vorder- und Rückenseite werden im Maschenstich zusammengenäht. Dafür ist es wichtig, dass die Träger-Maschen der Vorderseite und die Träger-Maschen der Rückenseite dieselbe Reihenfolge haben. Also zB.
Träger der Vorderseite: 1 re, 1 li, 1 re, 1 li
Träger der Rückenseite: 1 re, 1 li, 1 re, 1 li
Die Maschenstich-Maschen wiederum werden dann genau im Perlmuster gemacht, also so:
Träger der Vorderseite: 1 re, 1 li, 1 re, 1 li
Maschenstich-Maschen: 1li, 1 re, 1 li, 1 re
Träger der Rückenseite: 1 re, 1 li, 1 re, 1 li
Für den Maschenstich gibt es hier eine tolle Merkliste, die ich ganz besonders hilfreich finde. Oder das geniale Video von Ingrid aus der Strickpraxis, das ich mir immer wieder ansehen.
So. Fertig. Nur noch Fäden vernähen und anziehen und das Kind verknutschen!
Diesen Teil mag ich im Grunde wohl am allerliebsten.