Winter! Erst ein paar Tage jung und doch fühlt es sich er sich an, als wäre er schon seit Ewigkeiten hier, dieser Winter… Vielleicht, weil all die Weihnachtlichkeiten in mir immer ein ganz tiefes „Es wird sicher gleich schneien“-Gefühl hervorruft und das Bedürfnis, mich mit meinen Lieben ganz tief in eine behaglich warme Höhle (das Wohnzimmer geht auch) zurück zu ziehen, Geschichten zu erzählen und heisse Schokolade zu schlürfen.
Alle Weihnachts-Lieder reden von Schnee und Eis und manche von Popcorn am Feuer. (Genau so ein Song geistert mir schon seit Tagen im Kopf herum. Ich habe ihn sogar schon auf Video gesungen, weil ich hoffte, mich beim Selber-Abhören ausreichend abzuschrecken. Vergeblich…) Aber Weihnachten kam und ging, und Schnee liegt hier noch immer keiner. Alles ist Frühlings-Sommer-Herbst-(Winter!)-Grün wie eh und je. Nur der Wind riecht plötzlich eisiger.
Was ich bis jetzt an Winter zu sehen und zu spüren bekam, war eigentlich gar nicht besonders winterlich. Oder nur am Rande. Andererseits, warum soll der Winter immer weiss sein? Kühl, stürmisch, dunkel. Auch das sind winterliche Züge. Alles scheint zu schlafen. Ein Leben im Warte-Zustand unterhalb der braunen, manchmal hartgefrorenen (bin ich froh, sind die Tulpenzwiebeln schon im Boden!), manchmal mehr matschig feuchten Erdschicht. Stille. Verharren.
Winter heisst Warten. Auf das Licht des Frühjahres. Auf Wärme und Wachstum. Auf den Start-Ruf der Natur, wenn alles Leben sich von neuem ausrollen darf, ausbrechen aus der Enge seiner Höhlen und Hüllen, hinein in ein neues Jahr voller Möglichkeiten und Geschichten. Es ist ein hoffnungsvolles Warten. Ein Warten mit Zukunft.
Ich warte mit. Viele Menschen warten wohl mit. Denn auch wir sind Teil dieser Schöpfung. Wir werden uns ihren Rhytmen niemals ganz entziehen können, egal wie weit wir uns von ihr weg-industrialisieren. Und irgendwie empfinde ich dieses Warten nicht nur als etwas Bedrückendes: Je mehr ich in diesen Winter hineinrutsche, desto mehr wächst auch eine gewisse Vorfreude in mir, eine Vorfreude auf all das, was noch kommen wird. Auf all das, was mir jetzt in der Kälte und Starre dieser Jahreszeit vielleicht fehlt. Vieles habe ich als selbstverständlich hingenommen: die langen Tage, das frische Grün, Salate, Beeren, knackiges Gemüse, die laue Luft auf meinen Wangen, Barfusslaufen… Jetzt kommen mir diese Dinge wie kleine Wunder vor, und in gewisser Weise bin ich froh, dass ich mich jetzt so richtig auf sie freuen darf. Manches müssen wir wohl erst verlieren, um es wieder richtig schätzen zu lernen…
Ich glaube, das Leben gewinnt an Tiefe durch seine Täler und Windungen, und in gewisser Weise ist auch der Winter so eine Art Tal, ein Tal der Demut und der Geduld. Die Jahreszeiten können uns vielleicht dabei helfen, unser Leben immer wieder von Neuem als etwas Lebendiges zu betrachten, wo sich alles ständig verändert, hin und her schwingt von hell zu dunkel, von quirlig zu bedächtig.
Und in jeder Phase seines Laufes liegt ein neuer Zauber, eine neue Chance, eine neue Erfahrung: Selbst im allertiefsten Winter.