Kinder, Kinder, das Leben steckt voller Traditionen und Ritualen, das merke ich immer wieder. Vieles, was da abläuft in meinem (All-)Tag, hat seinen Rhythmus, seinen festen Ablauf, der sich irgendwann in mir festgebrannt hat, eingefurcht vom vielen immergleichen Weg, den ich gehe, ohne es wirklich
so zu planen.
Nur schon der Morgenkaffee, der einfach sein muss, zubereitet mit denselben Handgriffen wie der Morgenkaffee gestern oder der Morgenkaffee morgen.
Ich mag Traditionen. Sie geben dem Leben Struktur, bilden eine fixe Achse, um das ich mich drehen kann wie um eine Radnabe, ohne dass ich mich verliere in den Möglichkeiten, die das Leben einem Tag für Tag aufs Neue anbietet. Als eher chaotischer, impulsiver, intuitiv funktionierender Mensch, bin ich abgewiesen auf eine gewisse Beständigkeit in meinem Tagesablauf. (Obwohl ich genau diese Beständigkeit immer wieder unbewusst boykottiere, wie mir langsam klar wird, und dann stattdessen völlig unkoordiniert alles laufen lasse.) Morgen, Mittag, Nachmittag, Abend: jede Tageszeit hat ihre „persönlichen Elemente“, manche wirklich einigermassen fix, wie die Essenszeiten mittags und abends, manche variabler wie zB. das Zähneputzen mit den Kindern, das manchmal erst kurz vor dem Zvieri zustande kommt (naja, ausbaufähig, ich weiss) oder mein Getippsel hier für Kirschkernzeit, das oft, viel zu oft erst nach 22 Uhr Platz findet, aber dazugehört für mich irgendwie, wenigstens alle 2 Tage… Und das sind sind ja erst die klitzekleinen Traditionen, Rituale des ganz gewöhnlichen Alltags!
Wie wichtig Traditionen sind, wie verankert in unserem Lebenslauf, wird uns spätestens dann richtig bewusst, wenn so grosse Feiertage vor der Türe stehen wie Ostern oder Weihnachten oder andere Feste im Jahreskreis, die wir von klein auf kennen, die wir vielleicht anders gestalten als wir sie erlebt haben damals als Kind, vielleicht aber auch ganz bewusst ähnlich halten möchten und anknüpfen an die Traditionen unserer Familie, die einen langen Weg gegangen sein mag bis hierher in diese moderne, nüchterne Zeit.
Ich spüre, dass für mich noch vieles ungeklärt ist in diesem Bereich, eine Art Wachstum wahrscheinlich, ein Wandel, der seine Zeit braucht. Was wir wie feiern möchten, muss sich erst noch herauskristallisieren, glaube ich.
Aber manches ist ja auch schon entstanden… Besonders die Jahreszeiten sind es, die in unserem Familienleben wichtig sind, und immer wichtiger werden. Ihr Verlauf, ihr Wandel, ihr einzigartiger Charakter prägen die Art und Weise, in der wir leben viel zu stark, als dass sie an uns vorbeigehen könnten, ohne gebührend begrüsst und gefeiert zu werden!
Auch der Frühling erhält seinen Teil an Aufmerksamkeit und Zuneigung… Sobald er offiziell, also schön ordentlich im Kalender aufgeführt ist, ziehen wir los in den nahen Blumen-Garten-Tante-Emma-Laden und kaufen, jeder für sich, ein Pflänzchen, um ein bisschen Farbe und Grün in unser Haus, oder auf unseren Tisch zu bringen. Frühling im Kleinen.
Und irgendwann kommen die Eier…
Frühling bedeutet bei uns Eierzeit; Eierfärben, Eiertütschis, Eierbrötchen, mousse au chocolat… In keiner anderen Zeit gehe so viele Eier durch meine Hände wie in dieser!
Es ist ein ungeheuer gutes Gefühl, mit Eiern vom Bauern (die er mir das letzte Mal frisch aus dem Nest geholt hat!) nach Hause zu kommen und sie dann einen Sud aus Blauholz, Rotholz und Krappwurzel zu kochen, bis sie wie verzaubert in dunklem Aubergine und Altrosa daliegen…
Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter früher mit uns Eier gefärbt hätte, aber seit ein paar Jahren gehört dieses Ritual mit zu unserem Frühling. Und ich liebe es.
Heute schnitze Kind1 sich einen Bogen und Pfeile aus den Holzstecken, die wir gestern aus dem Wald mitgebracht hatten. Er arbeitete lange und sorgfältig, so wie es eben seine Art ist, und übte, bis ihm weitgestreckte, zügige Schüsse ins Feld gelangen.
„Weisst du, “ sagte er zu mir, und er war stolz und glücklich, das sah man ihm an, „Weisst du, seit drei Jahren mache ich mir einen solchen Pfeilbogen. Immer im Frühling. Das ist für mich auch schon eine Tradition.“
Ich glaube, diese Art von Traditionen, die mit dem Leben heranwachsen, die liebe ich eigentlich am meisten.