Nein, das tue ich wirklich nicht. Obwohl der Start nicht eben vielversprechend ausfiel… Die ersten Stunden an meinem Spinnrad liessen doch erhebliche Zweifel in mir aufkommen, ob ich tatsächlich für diese feine, rythmisch anspruchsvolle Gedulds-Arbeit geschaffen bin. Der Faden wurde praktisch ununterbrochen mal dicker, mal dünner, ab und zu riss er entzwei zwischen meinen Fingern und drehte sich immer so stark, dass sich kleine Kringel bildeten vor der Einlauf-Öse. Und auch auf der Spule selbst. Kein schöner Anblick. Nicht eben professionell…
Zum Schluss, nach dem Verzwirnen mit einem simplen, starken Baumwollfaden, hatte ich „Dread Locks“ (wie Freundin Raniso es liebevoll nannte – und ich auch, so insgeheim *grins*). Komisch, was aus einem unschuldigen, fluffigen Woll-Flies alles werden kann…
Ich bekam viele gute Tipps von Seiten erfahrener Spinnerinnen unter euch (DANKE!) und dank Chantimanou’s prima Spinn-Videos auch dem einen oder anderen meiner Anfänger-Fehler auf die Schliche…
ZB. das Vlies, mit dem ich spinne. Das hatte ich zu Anfang einfach so als Ganzes auf dem Schoss (war ziemlich kuschelig) und zupfte so mehr recht als schlecht daran herum, was eine eher unstete Sache war, denn manchmal kamen mehr Fasern in den Strang, mal weniger, und manchmal dann auch überhaupt keine mehr… Seitdem ich mir dieses Video hier etwa ein halbes Dutzend Mal angesehen habe, ziehe ich mir mein Vlies in schöne „Bänder“, wickle sie ordentlich zu einem lockeren Knäuel auf und spinne damit jetzt sehr viel entspannter und kontinuierlicher an meinen Fäden.
Ich habe dazugelernt. Aus Schaden wird man klug, sagt man. Und da muss was dran sein. Meine Probleme mit den Kringeln im zu stark verdrehten Faden brachten mich nämlich dazu, mir auch mein Spinnrad einmal genauer anzusehen (Ich hatte es natürlich nicht ganz richtig zusammengesteckt und auch die Spule falsch herum eingesetzt). Vor allem aber sah ich mir ein bisschen mehr auf die Finger beim Arbeiten, fühlte mehr in mich hinein, in den Rythmus meiner Füsse, das Gefühl des Dralls zwischen meinen Fingern…
Ich bin kein Spinn-Naturtalent, so viel steht fest. Ich bringe Garn zustande, unglaublicherweise, aber es ist nicht besonders schön, noch immer mehr eine Art … Seil als richtig schönes, sanftes, ebenmässiges Strick-Garn. Es dreht sich nach wie vor eher zu stark, kringelt sich ab und zu, und ohne die Entlastung des Zwirnens, wäre es wohl zu nichts zu gebrauchen (ausser vielleicht als Geschenk-Band oder so). Aber, und dieses Aber steckt mir ganz, ganz tief und tröstlich in den Knochen, aber ich lerne dazu. Sogar ich, das Anti-Talent. Ich kann das Rad schon sehr viel sicherer führen, verliere kaum noch die Richtung dabei, kann bremsen und den Schwung wieder anlaufen lassen, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren, etwas, was mir eine ganze Weile lang Schwierigkeiten gemacht hatte. Ich mache klitzekleine Schrittchen, aber ich mache sie. Und vor allem habe ich wirklich, wirklich Freude an dem, was ich tue. Was genau dabei entsteht, spielt gar keine so grosse Rolle.
Dass mir eines Tages tatsächlich so wunderbares Garn gelingen könnte, eines, das sich nicht kringelt, auch ohne Verzwirnen schön locker fällt, elastisch aber stabil bleibt und mich von Begeisterungs-Gross-Einkäufen bei Drops abhält (Hey, mal ehrlich, „Drops loves you # 3“ ist schlichtweg ein T-R-A-U-M! Besonders das Blau. Unglaublich!), daran kann ich im Moment noch nicht recht glauben. Dieser ganze Vorgang dauert auch viel zu lange, um mir schon auszumalen, was genau aus meiner selbstgesponnenen Wolle einmal werden soll… Im Moment spinne ich einfach nur so vor mich hin, ziellos und ohne jeden Erfolgsdruck. Ich gebe mir Zeit. Ich trete geduldig meine Pedale, zupfe Wolle, führe Fasern, führe den Drall und … lasse los. Und jeden dieser Schritte geniesse ich, diese kleinen, einfachen Momente „sinn“-losen Experimentierens, wo mich kein klares Ziel zur Eile antreibt, wo ich nicht viel weiss, aber immer mehr spüre, wo ich für einmal nicht unbedingt gut sein muss, sondern mir die Freiheit bewahren möchte, einfach nur Freude haben zu dürfen an dem, was ich gerade tue, egal wie stümperhaft es auch sein mag.
Ich lasse los.
Ja.
Aber ich lasse nicht locker.